Tier Wissen Ausstellen Strategien der Zusammenführung wissenschaftlicher und kuratorischer Praxis.
Eine interdisziplinäre Konferenz
Gut Siggen, 14.–20. September 2015

15. September 2015
15:30–16:30

De/Institutionalisierung von Tierwissen I

Moderation: Katja Kynast

Foto
Das Manteltier von Neozoon

Kerstin Weich:
Brenneisen: Instrumente der Pferdemedizin aus der veterinärhistorischen Sammlung Leipzig

Material:
Brenneisen, spitz-konisch, messerförmig, birn- oder knopfförmig.
Unbeschriftete Abbildung aus: Michel, G./Seffner, W.: Veterinärmedizinhistorische Sammlung. Katalog. Leipzig 2005, S. 82

Kurzbeschreibung:
Brenneisen gehörten bis ins 20. Jahrhundert hinein zur Grundausstattung von Tierärzten und wurden überwiegend für die Behandlung von Pferden, aber auch von Rindern, eingesetzt: „Nach dem verschiedenen Gebrauch und nach der Bildung der Theile des Körpers, wo es angewendet werden soll, so wie nach der Beschaffenheit und Lage der Gebrechen, muß das Brenneisen verschieden geformt sein, wenn es in der Hand eines geschickten Thierarztes oder Operateurs eines der wirksamsten Heilmittel in der Thiearzneykunde seyn soll, was in derselben um so leichter und dessen Nutzen in unserer Kunst um so viel ausgebreiteter seyn kann, da hier nicht, wie in der menschlichen Arzneykunde, die Furcht des Kranken und der Umstehenden dem Arzte die Hände bindet.“ (Weidenkeller, 1820:1)

In den Instrumenten materialisiert ist die Praxis des therapeutischen Brennens: Die Stiellänge, die 12 Zoll nicht überschreiten darf, entspricht der kontrollierten und sicheren Führung der Eisen, mit der das rechte Maß der Brennung, das der leidenden Stelle wie der Reizbarkeit des Tieres entsprechen muss, umgesetzt wird. Die verschiedenen Formen der Brenneisen markieren ein tiermedizinisches Wissen, das sich im Grad der Differenzierung von dem Wissen der Schmiede unterscheidet, das Material erlaubt eine Abgrenzung von abergläubischen Heilkünsten, denen zufolge die Güte des Metalls mit der Heilkraft der Eisen verbunden ist.
Die Brenneisen gehören zu den „semiotisch-materiellen Technologien, die Bedeutungen mit Körpern verknüpfen“ (Haraway). Sie repräsentieren nicht nur ein Wissen von und über tierische Körper, sondern sind Medien ihrer Herstellung. Als Exponate eines spezifischen Tierwissen ergeben sich Fragen nach Zugängen zu den historisch-kulturellen Existenzen von Tierkörpern.

Literatur:
- Weidenkeller, Johann Jakob: Das Brenneisen oder das englische Feuer hinsichtlich seiner Wirkungen, seines Nutzens und seines Gebrauchs in der Thierarzneikunde. Nürnberg: Bauer u. Raspe 1820, vor allem Einleitung und Kapitel 1. http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10252519-7
- Haraway, Donna: Situiertes Wissen. Die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer partialen Perspektive, in: Scheich (Hg.): Vermittelte Weiblichkeit. Feministische Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie, Hamburg, 1996, 217-248
- Sarasin, Philipp: Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765-1914, Frankfurt/Main, 2001, 11-31